Wohnungnot trifft vermehrt Familien
228 Tage dauert es im Schnitt, bis man im Landkreis München eine neue Wohnung gefunden hat. So offenbart es der Jahresbericht 2014, den die AWO-Wohnungsnotfallhilfe/FOL nun veröffentlicht hat. Die Fachstelle kümmert sich im Landkreis München um Bürger, denen aus unterschiedlichen Gründen die Obdachlosigkeit droht. 2014 verzeichnete die Beratungsstelle 1311 Fälle, 162 mehr als im Vorjahr. Davon konnten 70 Prozent als „positiv gelöst“ zu den Akten gelegt werden, das heißt, dass der Wohnraum behalten oder neuer gefunden wurde.
Bereits seit acht Jahren ist das Team aus Sozialarbeitern im Einsatz. Insgesamt wurden seitdem 7415 Haushalte betreut. „Erstmals bieten wir in unserem Bericht eine Zusammenfassung der vergangenen fünf Jahre an“, erklärt Stefan Wallner, der die Wohnungsnotfallhilfe gemeinsam mit Angela Pfister-Resch leitet. Hieraus lassen sich Trends ableiten: Die Zahl allein der Familien, die in Wohnungsnot geraten, ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Während es 2010 knapp 200 waren, wandten sich im vergangenen Jahr nahezu 300 an die Experten der AWO – insgesamt waren 788 Kinder betroffen, deren Eltern die Einrichtung kontaktierten.
Immer mehr Landkreisbürger lassen sich beraten, bevor ihnen der Wohnraum gekündigt worden ist. „Im vergangenen Jahr waren es mit 52 Prozent über die Hälfte aller Ratsuchenden, die präventiv zu uns kamen“, so Wallner. Michael Wüstendörfer, Geschäftsführer des AWO Kreisverbandes München-Land e.V., wertet dies als großen Erfolg. „Das macht deutlich, dass sich unsere Einrichtung als feste Anlaufstelle etabliert hat, wenn die Wohnung in Gefahr ist.“
Besonders positiv entwickelte sich die Zahl der Räumungsklagen im Landkreis, die in den vergangenen fünf Jahren um 32 Prozent gesunken ist. „Gemeinsam mit anderen Einrichtungen gelingt es uns, das Schlimmste zu verhindern“, so Wallner. In 92 Prozent aller Fälle, in denen eine Wohnungskündigung vorlag, konnte das Team die Eskalation verhindern und eine außergerichtliche Lösung finden. Trotz des knappen Angebotes auf dem Mietmarkt konnten die Betroffenen zumeist eine neue Bleibe finden. 67 Prozent aller Suchenden waren mit Hilfe der AWO-Berater erfolgreich. „Einen Makler einzubeziehen, erhöht die Chance nur gering“, erklärt Wallner.
Um die Betroffenen in Sachen „Wohnungssuche“ zu schulen, bietet die Fachstelle regelmäßig Workshops und Kurse an, die steigende Teilnehmerzahlen verzeichnen. Im vergangenen Jahr nahmen auch erstmals Vertreter der Asylhelferkreise teil, um das Wissen dann an Flüchtlinge weiterzugeben, die nach der Anerkennung ihre Unterkünfte verlassen und auf dem freien Wohnungsmarkt suchen müssen. Einige von ihnen betreut die AWO seit 1. Januar 2015 in der neuen Obdachlosenunterkunft in Höhenkirchen-Siegertsbrunn.
Aus den insgesamt drei Notunterkünften im Landkreis München, die die AWO betreut, meldet die Fachstelle Zahlen, die Anlass zur Sorge geben: 225 Erwachsene und 36 Kinder liegen der AWO als von der Gemeinde als „obdachlos“ gemeldet vor. So viele wie nie zuvor. „Das hat uns sehr erschreckt“, sagt Stefan Wallner. Gemeinsam mit seinem Team scheut er nicht, mit ungewöhnlichen Aktionen soziale Vermieter im Landkreis anzusprechen, die bereit sind, an Menschen zu vermieten, die es auf dem Wohnungsmarkt besonders schwer haben. „Hierzu zählen neben Asylbewerbern vor allem auch Familien mit Kindern“, so der Experte.
Besonderes Lob erhielt die AWO-Einrichtung von Thomas Duschinger, Vorsitzender der „Arbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe“, der betonte, dass die Fachstelle „vorbildliche Arbeit leistet“. Nicht viele Landkreise in Bayern könnten für sich in Anspruch nehmen, dass sie eine solche umfassende Unterstützung im Bereich der Wohnungsversorgung für die Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten bieten.